, ,

Gut vorbereitet zum Gespräch mit Ärzt*innen

Eine Ärztin in blauem OP-Kittel und mit blauer Haube hält ein lilafarbiges Stethoskop.

Wie wird man die*der professionelle Patient*in?

Inhalt

  • Professionelle Patient*in werden: Warum ist das nötig?
  • Medical Gaslighting
  • Hürden für Mediziner*innen und deren Konsequenzen in Bezug auf die Patient*innenbetreuung
  • Professionelle Patient*in werden
    • Vor dem Termin
    • Während des Termins mit Beispielsituationen aus der Praxis
    • Nach dem Termin

Professionelle Patient*in werden: Warum ist das nötig?

Lebt man mit einer seltenen Erkrankung wie dem Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist es unumgänglich als Patient*in auch selbst ein Teil des Gesundheitsmanagementes zu werden, denn die meisten Ärzt*innen haben von EDS nur wenig gehört. Gleichzeitig ist das Gesundheitssystem nicht auf die Behandlung von komplexen und chronisch kranken Patient*innen ausgelegt und so haben die betreuenden Ärzt*innen auch kaum Zeit sich selbst einzulesen. Das bedeutet im Gegenzug meist, dass die Patient*innen viele Aufgaben in ihrer Versorgung selbst übernehmen müssen, um die bestmögliche Lebensqualität zu erzielen. Bei der Fülle an Terminen kann man schnell den Überblick verlieren und gleichzeitig gibt es auch während des Gesprächs mit den Ärzt*innen diverse Hürden zu überwinden. Welche das sind und wie man als Patient*in erfolgreich durch so einen Termin navigiert, das erfahrt ihr im folgenden Text.

Medical Gaslighting

“…das bilden sie sich alles nur ein.”

Diesen Satz kennen vermutlich alle Betroffenen. Es ist neben “das ist alles nur in deinem Kopf” der häufigste Spruch, der EDS-Patient*innen bei medizinischen Terminen begegnet, wenn sie ihre seitenlangen Listen mit Symptomen am ganzen Körper vorlegen, die hauptsächlich unsichtbar sind. Hören sie das oft genug, dann stellen sie ihre eigene Wahrnehmung in Frage. Das nennt sich dann Medical Gaslighting, ein Begriff für den es in Deutschland keine wirklich gute Übersetzung gibt. 

Was ist Medical Gaslighting?

  • Gaslighting ist eine Art der Manipulation, bei denen die Wahrnehmung und Realität von Betroffenen in Frage gestellt wird. 
  • Medical Gaslighting wird häufig im Kontext mit Machtstrukturen, Abhängigkeitsverhältnissen und Geschlecht verwendet, wie z. B. im Kontakt zwischen Ärzten und deren Patientinnen. 
  • Patient*innen mit komplexen Krankheitsbildern, wie den Ehlers-Danlos-Syndromen, berichten oft von Erfahrungen mit Gaslighting. 
  • Studien zu Gaslighting, den Ursachen und Folgen, gibt es nur bedingt, doch die beschriebenen Konsequenzen für Patient*innen reichen von Angst vor medizinischen Terminen bis zu PTBS. 

Jede*r Betroffene kennt medizinisches Gaslighting. 2022 war Gaslighting gar das Wort des Jahres von Merriam-Webster mit einer 1740-prozentigen Zunahme der Suchen! Sucht man auf Social Media nach #MedicalGaslighting bekommt man zu jedem Zeitpunkt eine große Menge an Treffern. Dort berichten häufig Betroffenen mit Erkrankungen wie ME/CFS, Long-Covid, EDS oder Fibromyalgie von negativen Erfahrungen mit Ärzt*innen.

Wie kommt es zu Medical Gaslighting?

  1. Gender Bias

All die oben erwähnten Erkrankungen haben gemein, dass sie vermehrt Frauen – oft junge Frauen – betreffen. Demnach ist eine der häufigsten Ursachen für Medical Gaslighting das Geschlecht. In der Fachsprache nennt sich das dann Gender Bias. Zu Gender Bias gibt es diverse Studien. Es ist ein lang bekannter Fakt, aber wird gerade in der Medizin nur wenig thematisiert. Dabei gibt es z. B. Studien, die nachweisen, dass Frauen mit abdominal Schmerzen in der Notaufnahme länger auf die Behandlung warten mussten und seltener Opiate verschrieben bekamen im Vergleich zu Männern. Neben Gender Bias noch viele andere, z. B. aufgrund von Religion, sexueller Orientierung, Hautfarbe und viele mehr. Generell kann man sagen, je mehr Diskriminierungsmarker eine Person vereint, desto mehr Herausforderungen hat sie – nicht nur im Kontext Gesundheitsmanagement. 

2. Unsichtbare Krankheit

Ein weiterer Grund für Gaslighting ist die nach wie vor vorherrschende Annahme, dass Symptome, die man nicht sehen kann, auch nicht echt sein können. Die Dominanzgesellschaft glaubt häufig nur das, was sie sehen können und auch Ärzt*innen sind von dieser Fehlannahme nicht ausgenommen. Menschen mit unsichtbaren Erkrankungen oder Behinderungen werden von Mediziner*innen oft nicht als krank wahrgenommen, weil sie nach außen hin aussehen wie das blühende Leben. Das gilt häufig auch für das private Umfeld. Menschen mit unsichtbaren Erkrankungen und Behinderungen erfahren in ihrem Alltag ständig Gaslighting. 

3. Seltene/schlecht verstandene Erkrankung:

Zudem sind sie alle Erkrankungen, die entweder selten, schlecht verstanden oder wenig bekannt sind, oder für die es keine klare Ursache gibt, schnell abgetan als “das kann nicht sein.” Erkrankungen wie ME/CFS, die keine einfach feststellbare Ursache haben, bzw. keinen diagnostischen Marker oder hEDS, bei dem wir die genetische(n) Ursache(n) noch nicht kennen, werden oft abgetan und nicht als körperliche Erkrankungen akzeptiert. 

Da bei oben genannten Erkrankungen vorwiegend Frauen betroffen und diese hauptsächlich unsichtbare Symptome mit sich bringen, treffen gerade bei hEDS Gender Bias, die Unsichtbarkeit der Erkrankung und die Tatsache, dass es sich um eine seltene, komplexe, schlecht verstandene Erkrankung handelt aufeinander und so kommt es bei fast allen Betroffenen zu Erfahrungen von Gaslighting. 

Was sind die Folgen von Medical Gaslighting?

14 Jahre

Vergehen bei der Hälfte der Betroffenen bis zur EDS-Diagnose

56 %

Aller EDS-Betroffenen erhalten eine oder mehrere Fehldiagnosen

22 Jahre

Bei vorheriger psychischer Fehldiagnose

Konsequenzen

  • Fehldiagnosen führen zu Fehlbehandlungen und dadurch zu (permanenten) körperlichen und psychischen Schäden
  • Verlust des Vertrauens in Mediziner*innen
  • Vermeidung weiterer Enttäuschung & Meiden von Terminen
  • Schlechtere Lebensqualität, schlechtere Gesundheit & Isolation
  • Lose-Lose-Situation für Patient*innen & Mediziner*innen

Herausforderungen für Ärzt*innen

Für Patient*innen ist es wichtig auch die Perspektive der Menschen zu verstehen, die ihnen gegenüber sitzen. Denn nur so kann eine respektvolle Zusammenarbeit gelingen. Auch Ärzt*innen sind nur Menschen und bringen wie ihre Patient*innen auch ihre persönlichen Erfahrungen mit in den Termin. Wenn beide Seiten die Perspektive der jeweilige anderen verstehen, dann gelingt langfristig ein Austausch auf Augenhöhe.

1. Gesundheitssystem

  • Das Gesundheitssystem ist auf die Versorgung von akuten Erkrankungen ausgelegt.
  • Im Schnitt verbringen Hausärzt*innen nur 7,5 Minuten mit Patient*innen pro Termin. Eine genetische Beratung bei EDS dauert z. B. aber mindestens eine Stunde (plus zusätzliche 2 h für den Befund)
  • “Sprechende Medizin” – also das Gespräch mit Patient*innen – wird nicht extra vergütet. 
  • Ärzt*innen im Krankenhaus können nur 9–12 Prozent ihrer Zeit mit Patient*innen verbringen, aufgrund von Bürokratie.
  • In Hochschulen können sie evtl. 20 Minuten mit den Patient*innen verbringen, aber auch das reicht nicht aus für Anamnese, Untersuchung, Therapievorschläge.
  • Es gibt kein Budget für die interdisziplinäre Versorgung. In den meisten Ambulanzen gibt es Pauschalen für Diagnostik – egal wie teuer diese tatsächlich ist. Autonome Diagnostik kann z. B. gar nicht abgerechnet werden. Dafür gibt es keine Ziffer. 
  • Fachärzte spezialisieren sich immer weiter; es fehlt die interdisziplinäre Zusammenarbeit. 
  • Telefontermine werden nicht vergütet: Während der Pandemie konnte eine telefonische Beratung durchgeführt werden, die dann auch als solche bezahlt wurde. Das ist jetzt abgeschafft. D. h. Patient*innen müssen persönlich erscheinen. 

2. Seltene Krankheit

  • “Think Horses, Not Zebras”: Seltene Erkrankungen sind auch heute noch kaum Inhalt vom Studium; auch nicht in der Facharztausbildung.
  • Komplexe, traumatisierte Patient*innen mit multiplen Komorbiditäten erschweren die Anamnese und es braucht viel Zeit, um Vertrauen zu gewinnen. 
  • (Noch) fehlen die Leitlinien für EDS. 
  • Es sind viele verschiedene Fachdisziplinen beteiligt, die alle nicht an einem Ort sind. Das heißt Patient*innen müssen ständig weit reisen. Viele können das aber nicht. Dann ist eine Betreuung durch Fachärzte unmöglich. 
  • Eine stationäre Aufnahme zur komplexen Abklärung wird von den Krankenkassen nicht vergütet, aber von Patient*innen oft gewünscht. Am Ende bleiben die Krankenhäuser auf Kosten sitzen. 

Konsequenzen

Die Kombination von dem Mangel an Zeit, dem fehlenden Wissen, den komplexen Patient*innen und der schlechten Bezahlung führen dazu, dass Mediziner*innen wenig Motivation haben,  komplexe, chronisch kranke Menschen zu versorgen. Dadurch sind alle unzufrieden: Patient*innen als auch deren Mediziner*innen.

Fehlt das Verständnis auf einer oder beiden Seiten, dann kommt es schnell zu Missverständnissen. Doch was können wir Patient*innen tun, um die Situation zu verbessern?

Professionelle Patient*innen werden

Um gut durch einen Termin zu kommen, ist es besonders wichtig Schritt für Schritt zu planen, um den Überblick zu behalten. 

Vor dem Termin:

  1. Expert*innen finden

Expert*innen zu finden ist vermutlich der schwierigste Teil, denn in Deutschland gibt es meist nur eine oder wenige Expert*innen für die jeweilige komorbide Erkrankung. Die Wartezeiten sind dann oft lang. Aber genau deswegen ist eine umfassende Recherche vor dem Termin so wichtig. Man will nicht ein halbes Jahr warten und dann feststellen, dass man nicht beim bestmöglichen Arzt oder Ärztin sitzt. 

Um Expert*innen zu finden, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Internetrecherche: Hat den Vorteil, dass das jeder schnell nebenbei machen kann; Nachteil: bei seltenen Erkrankungen ist das schwierig, weil oft nicht auf der Website gelistet ist, ob die Mediziner*innen wirklich mit EDS Erfahrung hat. 
  • Verein und Selbsthilfegruppen: Die EDS Initiative hat z. B. auf ihrer Seite eine Liste mit Ärzt*innen in ganz Deutschland und das Projekt EDS Docs hat eine Website zu genau dem Thema online gestellt. 
  • Ärztebewertungsportale: Bewertungsportale sind nett, um einen kleinen Überblick über die Meinungen anderer Patient*innen zu Mediziner*innen zu erhalten. 
  • Krankheitsforen/Online Support Gruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann immer helfen, aber Vorsicht: Meinungen sind immer subjektiv und oft ist das auch persönliche Präferenz welche Mediziner*innen man mag oder auch nicht. 
  • Hausarzt oder andere betreuende Ärzt*innen fragen: Wenn man schon EDS-erfahrene Ärzt*innen an Board hat, dann kann man die auch fragen, ob sie Kolleg*innen empfehlen können. 
  • Wissenschaftliche Publikationen: Sucht man nicht nur national sondern auch international nach Expert*innen, dann sind wissenschaftliche Publikationen sehr hilfreich. Da findet man unter den Autor*innen schnell Expert*innen zu allen EDS-relevanten Themen. 

2. Unterlagen vorbereiten

  • Frage, ob Unterlagen vorab geschickt werden sollen: Manche Ärzt*innen machen sich gerne vorher ein Bild, andere nicht. Frage, was bevorzugt wird. 
  • Suche nur relevante Befunde heraus: Dieser Punkt ist besonders wichtig, weil wir alle Ordner voller Papier haben, aber nicht jeder Befund ist relevant. Z. B. Ist für die Herzambulanz nicht wichtig, welche Probleme man mit den Gelenken hat, oder für den Orthopäden ist es nicht unbedingt wichtig zu wissen, dass man einen leichten Mitralklappenprolaps hat. 
  • Bereite eine kurze Zusammenfassung vor: Mit kurz meine ich wenige Seiten, keinen Roman. 
    • Name und Geburtsdatum
    • Notfallkontakt
    • Diagnosen
    • Hauptbeschwerden (in Bezug auf den Termin)
    • Familienanamnese
    • Operationen
    • Allergien
    • Medikamente
    • Bereits vorgenommene Therapien (in Bezug auf den Termin) und deren Erfolg
  • Symptomtagebuch: Schmerztagebuch, Dysautonomietagebuch, MCAS-Tagebuch
  • Recherchiere zum Thema
  • Liste mit 3 wichtigsten Themen, über die du sprechen willst
  • Liste mit 5 wichtigsten Fragen, die du beantwortet haben willst
  • Andere wichtige Dokumente? (Krankenkassenkarte, Notfalldokumente, Notfallarmband, usw.)
  • Organisatorisches: Hotel, Zug, Flug, international 
    • Zug: Immer Sitzplatz im Zug buchen und bei Umstiegen mindestens 20 Minuten Zeit einplanen
    • Hotels: Nachfragen, ob es Patient*innenhäuser gibt; Hotwire hat teilweise gute Deals aber nicht erstattbar; Booking hat oft Deals, die man kurz vorher noch absagen kann. 
    • Flug: Rollstuhltransport buchen, Priority Boarding, andere Hilfen für Menschen mit unsichtbaren Behinderungen (z. B. Sonnenblume in UK, Dänemark)
    • International: Visa? Impfungen? Finanzieller Puffer? Notfallkontakte vor Ort? Sicherheitslage? Begleitung? 
    • Andere Faktoren wie Wetter, Infrastruktur, Menstruationszyklus usw. 

Beispiel: Unterlagen vorbereiten für ANS-Ambulanz:

  • Fragen, ob Frau Dr. Maier Unterlagen vorab möchte. 
  • Fünf wichtigsten Befunde (z. B. die mit relevanten Bluttests, durchgeführten Kreislauftestungen, Herz-Echos, neurologische Tests usw.)
  • Fokussiere in der kurzen Zusammenfassung auf Beschwerden im Rahmen der Dysautonomie oder Small-Fiber-Neuropathie
  • Symptomtagebuch: Verlauf der Symptome über Wochen mit: Zeitpunkt? Welche Symptome? Welche Trigger (z. B. Aufstehen, Hitze, Essen usw.)? Behandlung? Und hat die Behandlung geholfen (z. B. Medikamente, Kompression usw.)? Blutdruck- und Pulsmessungen, ggf. Schellongtests
  • Recherche zum Thema: Gibt es neue Studien, neue Medikamente, was, was anderen gut geholfen hat? Neue Hilfsmittel? Was sagt die Community? Was sagen andere Expert*innen?
  • 3 Themen: z. B. medikamentöse Einstellung, Hilfsmittelverordnung z. B. Kompressionsstrumpfhose und Small-Fiber-Testung
  • 5 Fragen: 
    • Welche weiteren Testungen schlagen Sie vor?
    • Welche medikamentöse Therapie ist geplant und welche Nebenwirkungen haben die?
    • Welche Hilfsmittel stehen mir zu? 
    • Welche anderen Maßnahmen kann ich ergreifen?
    • Unterstützen Sie mich bei meinem Rentenantrag/GdB usw.?
  • Andere wichtige Dokumente: Notfalldokumente mit Vorgehen bei Ohnmacht 
  • Organisatorisches: Flüssigkeit/Elektrolyte? Sitzplatz im Zug gebucht? Kompressionsstrümpfe/andere Hilfsmittel eingepackt? Medikamente dabei?  

Während des Termins

Während des Termins kann besonders viel schief gehen, denn da kommt es besonders auf die Kommunikation. Welche Probleme auftreten und wie diese evtl. gelöst werden können, zeigen wir anhand mehrerer Beispiele auf. 

FolgendeSituation: Patientin Mustermann erscheint zum ersten Termin beim Zahnarzt. Sie hat das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) und eine kraniozervikale Instabilität (CCI) und Symptome von kraniomandibulärer Dysfunktion (CMD): starke Schmerzen beim Kauen, ständige Geräusche im Kiefer, kann den Mund nicht weit öffnen, Nervenschmerzen usw.

Situation 1

[Die Patientin legt zwei Ordner und fünf Bücher auf den Tisch, setzt sich dann hin und fängt sofort an zu reden.]

Patientin: Hi, also ich habe das Ehlers-Danlos-Syndrom. Davon haben Sie sicher noch nichts gehört. Deswegen sind hier alle meine Befunde, die Sie bitte in den nächsten Wochen durchlesen und hier sind fünf Bücher zum Thema. Wär auch gut, wenn Sie die lesen könnten. 

Arzt: Uhm, ich weiß nicht, ob ich das zeitlich schaffe, aber fangen wir doch mal von vorne an: Was sind denn ihre Symptome?

Patientin: Also, ich bin ziemlich sicher, dass ich TMJ habe. Vermutlich ausgelöst durch meine CCI. Und ich brauche im Prinzip einen Arzt, der genau wie in den Büchern beschrieben eine Therapie einleitet. 

[Arzt starrt fragend]

Arzt: Vielleicht darf ich Sie erstmal selbst untersuchen? 

Patientin: Ich mein, wenns sein muss, aber eigentlich habe ich Ihnen da schon alles hingelegt, was Sie wissen müssen. 

Arzt: So kann ich leider nicht arbeiten. 

Wo ist in dieser Kommunikation das Problem? 

Auflösung: Kommunikation auf Augenhöhe

  • Ja, als Patient*innen wissen wir oft mehr als unsere behandelnden Ärzte. Das kann man aber nicht voraussetzen. Nicht den Arzt überfordern mit zu viel Information.
  • Vor allem beim ersten Termin fokussieren auf die Hauptbeschwerden und den Grund des Besuchs.
  • Dem Arzt nicht sagen, was er zu tun hat, sondern stattdessen freundlich aber vorsichtig Vorschläge unterbreiten. 
  • Dann auch auf die Meinung des Arztes eingehen. 
  • Mit Ärzt*innen auf Augenhöhe arbeiten heißt auch, dass beide zuhören und die Meinung der anderen Seite hören und respektieren und dann einen Kompromiss finden. Gemeinsam.

Wie könnte die Situation also gelöst werden? 

Patientin: Guten Morgen, mein Name ist Patientin Mustermann und ich habe das Ehlers-Danlos-Syndrom und eine Instabilität meiner Halswirbelsäule. 

Arzt: Davon habe ich schon mehrfach gehört. Was bringt Sie denn heute zu mir?

Patientin: Also, ich habe ständig Schmerzen im Kiefergelenk, vor allem wenn ich kaue oder den Mund weit aufmachen muss, tut das sehr weh. Außerdem knackt es die ganze Zeit und fühlt sich so, als würde eine Seite aus dem Gelenk rutschen. Ich glaube, die Symptome passen ganz gut zu CMD, oder wie sehen Sie das? 

Arzt: Das klingt plausibel. Lassen Sie uns dass doch mal genauer untersuchen. 

[Nach der Untersuchung: Patientin legt ein paar Unterlagen und ein Buch auf den Tisch]

Patientin: Ich habe kürzlich dieses super spannende Buch von Dr. Mitakides gelesen. Der hat sich auf die Behandlung von EDS, CMD und CCI spezialisiert. Ich fände es toll, wenn wir vielleicht die ein oder andere Idee aus dem Buch umsetzten könnten, wenn Sie dafür die Zeit finden. 

Arzt: Sehr gerne. Dafür machen wir am besten einen Anschlusstermin aus, sodass ich ein bisschen Zeit habe, mich einzulesen. 

Patientin: Das klingt super. Vielen Dank! 

Situation 2

Patientin: Guten Morgen, mein Name ist Patientin Mustermann und ich habe das Ehlers-Danlos-Syndrom und eine Instabilität meiner Halswirbelsäule. Meine Hausärztin hat mich zu Ihnen überwiesen, weil ich Symptome von CMD habe. 

Arzt: Können Sie genauer beschreiben, welche das sind?

Patientin: Also, ich habe ständig Schmerzen im Kiefergelenk, vor allem wenn ich kaue oder den Mund weit aufmachen muss, tut das sehr weh.

Arzt: Knirschen Sie nachts mit den Zähnen?

Patientin: Weiß ich nicht genau. Kann aber sein. 

Arzt: Haben Sie in letzter Zeit viel Stress gehabt? 

Patientin: Naja, also ich bin chronisch krank. Stress ist mein Alltag. 

Arzt: Hm, also vielleicht sollte da auch mal ein Psychologe drauf schauen. Das kann schon auch mit Stress und dem Knirschen zu tun haben.

Patientin [springt auf]: Ja, ne Danke. Die Psychoschiene hatte ich schon oft genug. Ich bin hier wegen einem körperlichen Problem. Ich weiß auch nicht, warum ihr Ärzte immer sofort denkt alles sei psychosomatisch während es zig Bücher und Studien zu EDS, CCI und CMD gibt. Aber da schauen Sie ja sicher nicht rein. Warum auch? Sie wissen ja eh alles besser. 

Wo ist in dieser Situation das Problem?

Auflösung: Jedem Arzt, jeder Ärztin, eine neue Chance geben

  • Nicht jeder Arzt will uns was Böses.
  • Negative Erfahrungen nicht am nächsten Arzt auslassen.
  • Mit dem alten Trauma leben lernen: Copingmechanismen finden.
  • Verstehen, dass der neue Arzt vielleicht nicht weiß, was wir erlebt haben.
  • Trigger kennen und dem Gegenüber erklären. 
  • Psychische Diagnosen nicht von vornherein ablehnen. Auch Menschen mit EDS können psychische Erkrankungen entwickeln und das pauschale Ablehnen stigmatisiert diese Erkrankungen nur noch weiter. 
  • Jeden neuen Arzt eine neue Chance geben.
  • Respektvoll aber ehrlich über Wünsche und Ängste sprechen.

Also wie hätten wir die Situation besser lösen können?

Patientin: Guten Morgen, mein Name ist Patientin Mustermann und ich habe das Ehlers-Danlos-Syndrom und eine Instabilität meiner Halswirbelsäule. Meine Hausärztin hat mich zu Ihnen überwiesen, weil ich Symptome von CMD habe. 

Arzt: Können Sie genauer beschreiben, welche das sind?

Patientin: Also, ich habe ständig Schmerzen im Kiefergelenk, vor allem wenn ich kaue oder den Mund weit aufmachen muss, tut das sehr weh.

Arzt: Knirschen Sie nachts mit den Zähnen?

Patientin: Weiß ich nicht genau. Kann aber sein. 

Arzt: Haben Sie in letzter Zeit viel Stress gehabt? 

Patientin: Naja, also ich bin chronisch krank. Stress ist mein Alltag. Ich möchte Ihnen an der Stelle aber auch gleich sagen, dass ich unzählige Bewältigungsmechanismen für meinen Stress habe. Ich habe außerdem eine sehr gute Therapeutin, die mir hilft mit den Herausforderungen im Alltag umzugehen. 

Außerdem müssen Sie wissen, dass wie EDS-Patient*innen oft ziemlich böse getriggert werden, wenn ein Arzt von der Psyche spricht. Wir sind alle Jahre oder Jahrzehntelang falsch diagnostiziert worden und weil man unsere Symptome nicht sieht und wir aussehen wie junge gesunde Frauen hat man die Ursache oft in der Psyche gesucht. Daher wäre es schön, wenn wir uns bei diesem Termin auf meine körperlichen Symptome von CMD konzentrieren könnten. 

Arzt: Oh, so meinte ich das überhaupt nicht. Mir ist durchaus bewusst, dass es sich vermutlich um CMD handelt, aber da macht in den meisten Fällen ein multidisziplinärer Behandlungsansatz viel Sinn. Also mit Zahnarzt, Physiotherapeut und ggf. eben auch Therapeuten, um das Knirschen positiv zu beeinflussen. Aber wenn sie da ohnehin versorgt sind, dann kann ich natürlich nur auf meinen Bereich fokussieren. 

Patientin: Super, danke! 

Situation 3:

Patientin: Guten Morgen, mein Name ist Patientin Mustermann und ich habe das Ehlers-Danlos-Syndrom und eine Instabilität meiner Halswirbelsäule. Meine Hausärztin hat mich zu Ihnen überwiesen, weil ich Symptome von CMD habe. 

Arzt: Wie drückt sich diese Instabilität der Halswirbelsäule denn aus?

Patientin: Hauptsächlich durch neurologische Symptome, also Ausfallerscheinungen in den Armen und Beinen, Schwächegefühl, Kribbeln, Sehstörungen, Koordinations- und Balancestörung und viele mehr.

Arzt: Haben Sie da Bildgebung zu? 

Patientin: Yup, hier ist der Befund. [Reicht Befund]

Arzt: Na, also das ist auch wieder so ein Arzt, der nur aufs Geld aus ist und hilflose Patientinnen wie sie ausnimmt. Das haben Sie ja sicher privat bezahlt. Und jetzt wollen Sie das aber bitte nicht operieren lassen oder?

Patientin: Naja, also wenn die Symptome schlimmer werden und lebensbedrohlich, dann irgendwann schon. Und die Wahrscheinlichkeit dass das passiert scheint recht hoch. Ich habe mir dazu die Meinungen von drei internationalen Experten eingeholt. 

Arzt: Und die haben Ihnen zu einer OP geraten? Das glaube ich einfach nicht. Diese US-Ärzte wollen auch alle nur Geld machen. Metzger sind das. 

Patientin: Also eigentlich sind die sehr kompetent. Aber das ist auch nicht der Grund warum ich hier bin. 

Arzt: Wieso? Was wollen sie dann bei mir. Dann gehen Sie doch zu einem dieser “Experten”. 

[Patientin steht auf und geht]

Wo ist in dieser Situation das Problem?

Auflösung: Keine Lösung

  • Für manche Situationen gibt es keine Lösung. 
  • Wenn ein Arzt eine Meinung so verfestigt hat und auch nicht hört, was die Patientin sagt, dann hilft manchmal einfach nur aufstehen und gehen. 
  • Neuer Arzt, neues Glück. 

Situation 4:

Arzt nimmt sein Telefon in die Hand und ruft Patientin Mustermann an.

Arzt: Frau Mustermann, ich habe das Gefühl Sie haben mich beim letzten Termin auf dem falschen Fuß erwischt.

Patientin: Hm? 

Arzt: Ich habe mich jetzt noch ein bisschen in ihre Problematik eingelesen und da scheint es ja tatsächlich einen Zusammenhang zwischen EDS, CCI und CMD zu geben. Der klingt auch recht schlüssig. 

Patientin: Ach ja? Ist das so, hm?

Arzt: Ja, sie haben schon recht mir hier das Gespräch etwas schwer zu machen. Es tut mir leid, dass ich Sie mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen habe. 

Patientin: Ich bin ehrlich gesagt beeindruckt, dass Sie das so zugeben können. Erlebe ich nicht oft. Wollen wir nochmal von vorne anfangen? 

Arzt: Sehr gerne. 

Zugegeben, solche Situationen sind eher selten, aber wenn ein Arzt oder eine Ärztin tatsächlich die Größe besitzt, sich zu entschuldigen, dann muss man auch verzeihen können. 

Nach dem Termin

Nach dem Termin ist vor dem Termin. 

Dann heißt es: 

  • Notizen durchgehen und To Do’s herausfiltern
  • Ggf. Anschlusstermine ausmachen
  • Offene Fragen notieren für nächsten Termin
  • Alle mitgegebenen Unterlagen überprüfen: Sind alle Rezepte, Überweisungen usw. korrekt?
  • Befund überprüfen; bei Fehlern um Korrektur bitten
  • Ggf. Zweitmeinung einholen

Im Leben mit EDS kann es einem manchmal vorkommen, als würden die Termine mit Mediziner*innen überhand nehmen und als hätte man kein Leben mehr außerhalb der Erkrankung. In manchen Lebensphasen ist das leider die Realität, aber umso wichtiger ist es, gut vorbereitet in diese Termine zu gehen, sodass sich die Zeit und der Aufwand zumindest lohnen! Natürlich können alle Tipps dieser Welt nicht verhindern, dass Menschen mit EDS auch weiterhin negative Erfahrungen mit Ärzt*innen machen, denn als Betroffene seine Haltung zu überdenken und anzupassen, bedeutet nicht gleichzeitig, dass das Gegenüber das Gleiche tut. Dennoch sind die Erfolgschancen doch höher, wenn Betroffene möglichst vorbereitet und unvoreingenommen bei ihrem Termin erscheinen und respekt- und verständnisvoll mit ihren Ärzt*innen kommunizieren. 

Den kompletten Vortrag inklusive meiner Kommentare und Quellenangaben könnt ihr hier nachlesen:

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert