Die Ehlers-Danlos-Syndrome können zu einer Vielzahl an Begleiterkrankungen führen. Anbei noch einige typische Probleme, die typische für EDS sind. (Unvollständige Liste).

Vitaminmängel

Die Ursache für Vitaminmängel bei EDS ist unklar. Mögliche Theorien sind z. B. Resorptionsstörungen im Magen-Darm-Trakt, über Mastzellaktivierungssyndrom, Reizdarm und Malabsorption.

Häufig wird EDS-Betroffenen, auch ohne vorliegenden Vitaminmangel, die Einnahme diverser Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine empfohlen. Vitamin C ist beispielsweise an der Kollagensynthese beteiligt und soll helfen das Bindegewebe zu stabilisieren und gleichzeitig die Blutungsneigung zu reduzieren. Vitamin C ist außerdem ein Mastzellstabilisator. Studien hierzu gibt es nicht.

CMD (Craniomandibuläre Dysfunktion)

Synonym: TMJ (Temperomandibular joint dysfunction), TMD (Temperomandibuläre Dysfunktion)

Die TMJ ist ein Krankheitsbild, das bei EDS häufig dokumentiert wird. TMJ beschreibt einen Zustand, kein wirkliches Krankheitsbild, bei dem das Zusammenspiel zwischen Schädel und Kiefer aus dem Gleichgewicht geraten ist. Diese Störung kann auch die Halswirbelsäule und alle angrenzenden Strukturen betreffen, denn Kiefer, Schädel und HWS sind durch Sehnen und Muskeln miteinander verbunden. TMJ kommt fast immer bei EDS-Patient*innen mit CCI vor.

Diagnostiziert wird TMJ von spezialisierten Zahnärzt*innen, Kieferorthopäd*innen, Kieferchirurg*innen, Orthopäd*innen oder Osteopath*innen durch heranziehen verschiedener diagnostischer Kriterien, einer klinischen Untersuchung und manchmal einer Bildgebung.

Das Hauptsymptom bei TMJ ist Schmerz bei Bewegung des Kiefers (beim Essen oder Sprechen). Diese Schmerzen können zu Verspannungen in der HWS oder im Gesicht führen und dort ebenfalls Schmerzen auslösen. Außerdem kommt es häufig zu Mundöffnungs- oder Schlussproblemen, Subluxationen und Dislokationen. Betroffene können ein Knacken im Kiefer oder sogar Tinnitus wahrnehmen.

Die Therapie der TMJ besteht aus Aufbissschienen, Physiotherapie, Schmerztherapie in Kombination mit Muskelrelaxantien.

Thrombozytenfehlfunktion

Auch Thrombozyten, die zellulären Helfer*innen der Blutgerinnung, bestehen aus einem feinen Kollagengerüst, weshalb auch die Thrombozyten bei EDS betroffen sein können.

Insgesamt leben die meisten EDS-Betroffenen mit einer mehr oder minder starken Blutungsneigung, plötzlich auftretenden Blutergüssen ohne Grund oder ähnlichem. Bei vielen kann keinerlei Abnormität in der Gerinnungskaskade festgestellt werden.

Diagnostisch sollte vor allem vor Operationen eine routinemäßige Blutgerinnungskontrolle durchgeführt werden, zu denen, zusätzlich zu den Standardwerten wie Quick und PTT, auch der Von-Willebrandt-Faktor und die Aggregometrie zur Beurteilung der Thrombozytenfunktion zählen sollte.

Therapeutisch sind meist keine Besonderheiten zu beachten, da die Blutungsneigung selten stark ausgeprägt ist. In Hinblick auf das Risiko eines erhöhten Blutverlusts bei größeren OPs sollte ggf. ein Gerinnungshemmer zum Einsatz kommen.

Mitralklappeninsuffizienz/Mitralklappenprolaps

Auch die Herzklappen bestehen aus Bindegewebe und sind oft bei EDS betroffen. Allerdings sind diese Ausprägungen häufig mild und bedürfen erstmals nur einer regelmäßigen Überwachung.

Auch Aortenwurzelerweiterungen wurden beschrieben, sind aber selten. Diese Komplikationen werden hauptsächlich beim vaskulären EDS gefunden und sollten dort auch erwartet werden.

Diagnostiziert werden Herzabnormalitäten mittels EKG, Abhören, Blutdruck- und Pulsmessung, Herzecho, oder bei Verdacht auf Gefäßbeteiligung durch ein MRT der Aorta mit Kontrastmittel.

EDS-Patient*innen sollten sich jährlichen, routinemäßigen kardiologischen und angiologischen Kontrollen unterziehen. Gute kardiologische Zentren kann man häufig im Rahmen von Marfan-Sprechstunden finden.

Abnormalitäten im Medikamentenmetabolismus

In Deutschland noch sehr unbekannt, in den USA aber schon relativ etabliert, sind Tests auf genetische Abnormitäten im Medikamentenmetabolismus.

Da EDS-Patient*innen häufig verschiedene Medikamente einnehmen, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen, wenn sie genetisch prädispositioniert sind.

Medikamente werden über unterschiedliche Kanäle im Körper verstoffwechselt. An dieser Verstoffwechselung sind bestimmte Enzyme beteiligt, die CYP-Enzyme. CYP-Gene können genetisch auf Abnormitäten überprüft werden, was eine Vorhersage über Nebenwirkung fast aller Medikamente zulässt. Dies erlaubt eine deutlich bessere und sicherere Planung der Medikamenteneinstellung für die*den Patient*in.

Die Cytochrom-P450-Familie codiert für verschiedene CYP-Enzyme, die 85 Prozent aller Medikamente verstoffwechseln. Klinisch wichtige Gene sind: CYP1A2, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, CYP2E1, CYP3A4.

Je nach persönlichem Ergebnis wird dann in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Zum Beispiel gibt es Patient*innen, die extrem schnell metabolisieren und dadurch bei manchen Medikamenten in der Normaldosis gar keinen Effekt spüren oder andere, die z. B. ein Enzym haben, das kaum funktionsfähig ist, was dann zu massiven Nebenwirkungen oder toxischen Reaktionen führen kann, wenn ein Medikament gegeben wird, das diesen bestimmten Weg nutzt.

Interstitielle Zystitis

Die interstitielle Zystitis (IC) ist eine Erkrankung, bzw. ein Schmerzsyndrom, bei dem es zu einer chronischen Entzündung der Blasenwand kommt und in der Folge zu starken Schmerzen der Blase mit Harndrang, Brennen und häufigem Harnlassen. Prinzipiell können alle typischen Blasenentzündungssymptome auftreten, die viele Frauen kennen. Bakterien, wie bei der akuten Blasenentzündung, können jedoch nicht nachgewiesen werden.

Die Ursache ist unklar. Jedoch scheinen Mastzellen eine große Rolle bei der IC zu spielen! Aber auch unzählige andere Faktoren wurden erwähnt, wie z. B. Umwelteinflüsse, neurologische, hormonelle, vaskuläre und autoimmune Störungen.

Die Diagnostik besteht  aus der Anamnese der klassischen Symptome, Zystoskopie, Mastzellen in Blasenbiopsie.

Behandelt wird die interstitielle Zystitis mittels Ernährungsumstellung auf Nahrungsmittel und Getränke, die die Blase nicht reizen, Physiotherapie für das Becken, natürliche Medikamente, wie Cystoprotek, Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat, alternative Konzepte, wie Biofeedback oder Akupunktur, Schmerztherapie, Antidepressiva, Antihistaminika, und intravesikaler Instillation.

Tarlov-Zysten

Tarlov-Zysten sind Ausstülpungen der Dura und enthalten daher Liquor. Sie werden auch als Wurzeltaschenzysten bezeichnet. Prinzipiell können diese Zysten in jedem Wirbelsäulenabschnitt auftreten, werden aber am häufigsten am Kreuzbein entdeckt – meist als Zufallsbefund.

Je nach Lage können die Zysten Nerven komprimieren und dann radikuläre Beschwerden verursachen, wie z. B. Schmerzen in den Beinen, Lähmungen, Gefühlsstörungen, Blasenstörungen, Darmstörungen uvm. Sie können aber auch symptomlos verlaufen.

Die Ursache ist unklar. Tarlov-Zysten werden häufig bei Patient*innen mit Bindegewebserkrankungen gefunden. Man geht davon aus, dass die Dura, die ebenfalls aus Bindegewebe besteht, wie das restliche Gewebe bei z. B. Ehlers-Danlos-Syndrom „ausdehnt“ und dadurch diese Aussackungen zustande kommen.

Diagnostiziert werden Tarlov-Zysten via MRT, klinischer Untersuchung, elektrophysiologischer Testung, Urodynamik

Die Therapie besteht aus der Infiltration mit lokaler Anästhesie, Cortison oder Fibrin oder der operativen Entfernung.

Gefäßkompression

Gefäßkompressionssyndrome sind Erkrankungen, bei denen in einem oder mehreren Bereichen im Bauchraum ein Gefäß abgedrückt und dadurch verschlossen wird.

Mögliche Diagnosen: 

  • Dunbar-Syndrom (MALS – Median Arcuate Ligament Syndrome): Beim Dunbar-Syndrom liegt eine Einklemmung des Truncus coeliacus vor, was in der Folge zu Übelkeit, Krämpfen im Bauchraum, Dysautonomie-ähnlichen Symptomen und Atembeschwerden führt. Im schlimmsten Fall kann die dauerhafte Kompression zu Aneurysmen der abgeklemmten Gefäßstrukturen oder zur Schädigung der Nerven, die den Magen versorgen, führen (Gastroparese).
  • Nussknacker-Syndrom: Das Nussknacker-Syndrom entsteht, wenn die linke Nierenvene komprimiert wird. Das kann z. B. durch eine ausgeprägte LWS-Lordose erfolgen. Hier wird die linke Nierenvene zwischen Aorta und Mesenterialarterie abgeklemmt und dadurch gestaut. Es entstehen Schmerzen in der Nierengegend, Unterleibsschmerzen und sogar Hämaturie. Als Komplikation können Thrombosen des Beins und Varizen der Uterusgefäße auftreten.
  • May-Thurner-Syndrom: Von einem May-Thurner-Syndrom spricht man, wenn die linke Beckenvene durch die Beckenarterie und das Promontorium des Kreuzbeins abgedrückt wird. Symptome können sein: linksseitige Unterleibsschmerzen, Flankenschmerzen. Auch hier haben die Patient*innen ein erhöhtes Risiko an Thrombosen zu erkranken und Varizen im Bein zu entwickeln.
  • Pelvine Kongestion: Die pelvine Kongestion kann z. B. durch ein Nussknackersyndrom entstehen und führt dazu, dass das venöse Blut sich im Becken staut. Dadurch kommt es zu Schmerzen im Becken, der Flanke, Menstruationsbeschwerden und Blasenproblemen.

Diagnostiziert werden Kompressionen mit Farbduplexsonographie (evtl. funktionell mit Flussgeschwindigkeitsmessung), CT- oder MR-Angiographie

Die Therapie ist schwierig und besteht aus Physiotherapie, z. B. zur Verbesserung der Lordose, oder Operationen zur Dekompression der Gefäße, evtl. mit Einsetzen von Stents und Bypässen

Mehr Information:

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