Das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom gilt als der häufigste EDS-Typ und wird momentan mit einem Auftreten von 1:5000 angegeben, obwohl Expert*innen davon ausgehen, dass es sehr viel häufiger vorkommt, jedoch meist nicht erkannt oder falsch diagnostiziert wird.

Warum nimmt das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom eine Sonderposition ein?

Bislang ist es der einzige EDS-Typ, bei dem keine klare genetische Ursache – kein auslösendes Gen – bekannt ist. Publiziert wurden wenige Fälle mit heterozygoten Mutationen auf dem Tenascin-XB-Gen, sowie Mutationen auf dem TPSAB1-Gen. Außerdem soll bald ein neues gefundenes Gen veröffentlicht werden (Norris Lab, MUSC).

Beim Großteil der hEDS-Patient*innen wird mittels Gentest keine Mutation gefunden und auch die Hautbiopsien bleiben häufig ohne Ergebnis.

TNXB

Was ist Tenascin-XB (TNXB) und Tenascin-X (TNX)?

TNXB ist ein Gen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6, das für ein extrazelluläres Matrixprotein, das Tenascin-X, codiert und mit verschiedenen sehr seltenen EDS-Typen assoziiert.

  1. TNX-Mangel-EDS: Dieser Typ wurde bislang nur bei wenigen Menschen weltweit beschrieben und gilt in der aktuellen Klassifikation als clEDS. Dabei liegen homozygote Mutationen des TNXB-Gens vor, die zu einem vollständigen Mangel des TNX im Blut führen.
  2. TNX-Haploinsuffizienz: Hier liegt ein „halber“ Mangel, also eine Verringerung des TNX-Spiegels, aber kein vollständiges Fehlen des TNX im Blut vor.
  3. Heterozygote TNXB-Mutationen: Die meisten heterozygote Mutationen auf TNXB sind bislang unbekannt, nicht erforscht und damit „Varianten unklarer Signifikanz“. Menschen mit heterozygoten Mutationen sind außerdem derzeit nicht in der aktuellen Klassifikation inkludiert und laufen häufig unter hEDS.
  4. Kongenitale adrenale Hyperplasie (CAH)-EDS (CAH-X): CAH ist eine erbliche Erkrankung der Nebennieren. Sie wird verursacht durch eine Mutation auf dem Gen CYP21B, das für ein Enzym, die Steroid-21-Hydroxylase, codiert. Dieses Enzym ist für die Synthese von Cortisol und Mineralocorticoiden wichtig. Ein Mangel an Steriod-21-Hydroxylase führt zu einem Mangel der oben genannten Hormone, welche dann lebenslang substituiert werden müssen. CYP21B ist das Nachbargen von TNXB, weshalb Patient*innen, die auf beiden Genen einen Defekt vorwiesen, auch den Phänotyp von CAH und EDS zeigten – dieses Krankheitsbild wurde dann CAH-X genannt. Betroffene zeigen daher alle Merkmale der endokrinologischen Erkrankung, sowie einen klaren EDS-Phänotyp.

TPSAB1

Neben dem TNXB-Gen wurde im Oktober 2016 ein weiteres potenziell wichtiges Gen mit dem hEDS in Verbindung gebracht.

Die Ergebnisse wurden von einer Gruppe Wissenschaftler*innen der NIH publiziert, die schon lange am Thema Mastzellaktivierung forschten. Die Gruppe rund um Prof. Milner fand bei einem kleinen Teil der Betroffenen das TPSAB1-Gen auslösend für einen EDS-Typ, der einhergeht mit POTS und MCAS.

Quelle: LYONS, Jonathan J., et al. Elevated basal serum tryptase identifies a multisystem disorder associated with increased TPSAB1 copy number. Nature Genetics, 2016.

Es wurde festgestellt, dass bei 35 Familien, die schon in früheren Studien eine erhöhte basale Tryptase aufwiesen, eine Duplikation oder Triplikation im TPSAB1 vorlag. Dieses Gen codiert für das Enzym Alpha-Tryptase, welches einen mastzellspezfischen Marker darstellt.

(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/gene/7177)

Des Weiteren konnte man beobachten, dass alle Probanden, neben der mastzelltypischen Symptomatik, auch ein POTS und eine Bindegewebskomponente aufwiesen.

Je mehr Kopien der Alpha-Tryptase vorlagen, desto höher war die basale Serum-Tryptase im Blut der Betroffenen und desto schwerer war auch die Symptomatik.

Wie auch im Fall von TNXB ist das TPSAB1-Gen nur bei einem kleinen Teil der hEDS-Betroffenen auslösend.

Das hEDS ist bislang eine klinische Diagnose, die anhand folgender Kriterien gestellt werden kann:

Quelle:

MALFAIT, Fransiska, et al. The 2017 international classification of the Ehlers–Danlos syndromes. In: American Journal of Medical Genetics Part C: Seminars in Medical Genetics. 2017. S. 8-26.

Hypermobilität wird nun eingeteilt in

  1. Lokale Gelenkshypermobilität: Hypermobilität in weniger als fünf Gelenken
  2. Generalisierte Gelenkshypermobilität: Hypermobilität in mehr als fünf Gelenken
  3. Periphere Gelenkshypermobilität: Hypermobilität an Händen oder Füßen
  4. Anamnestische Hypermobilität: Anhand eines Fragebogens wird die Hypermobilität in der Vergangenheit ermittelt
  5. Gelenksinstabilität

Weiter wird aufgeteilt in: 

  1. Menschen mit asymptomatischer Hypermobilität, ohne andere Krankheiten
  2. Hypermobiles Ehlers-Danlos-Syndrom
  3. Menschen, die zwar symptomatisch und hypermobil sind, aber die neuen EDS-Kriterien nicht erfüllen. Die Krankheitsbezeichnung lautet hierfür: Hypermobility spectrum disorder (HSD)

Die Hypermobility Spectrum Disorders werden nun weiter aufgeteilt in:

  1. Localized Hypermobility Spectrum Disorder (L-HSD)
  2. Peripheral Hypermobility Spectrum Disorder (P-HSD)
  3. Generalized Hypermobility Spectrum Disorder (G-HSD)
  4. Historical Hypermobility Spectrum Disorder (H-HSD)

Neue Kriterien des hEDS:

Der hypermobile EDS-Typ muss nun drei Kriterien erfüllen. Kriterium 2 wird noch weiter unterteilt in Feature A – C.

Kriterium 1:

Positiver Beighton Score:

Kinder: mindestens 6 von 9

Menschen über 50 Jahre: mindestens 4 von 9

Menschen unter 50: mindestens 5 von 9

Kriterium 2:

Um Kriterium 2 zu erfüllen, müssen zwei oder mehr der unten erwähnten Feature vorhanden sein.

Feature AFeature BFeature C
Weiche, samtige HautPositive FamilienanamneseMuskuloskeletaler Schmerz in zwei oder mehr Extremitäten für länger als drei Monate
Milde HautdehnbarkeitChronischer, weitverbreiteter Schmerz
Unerklärbare DehnungsstreifenWiederauftretende Gelenksdislokationen oder Instabilität ohne Trauma
Piezogene Papeln an FersenUm Feature C zu erfüllen, muss mindestens eines der oben erwähnten Symptome vorliegen.
Hernien
Atrophische Narben (nicht hauchdünn)
Uterus- oder Rektumprolaps
Engstehende Zähne und/oder hoher, schmaler Gaumen
Arachnodaktylie
Verhältnis zwischen Armspanne zu Körpergröße < 1,05
Mitralklappenprolaps
Um Feature A zu erfüllen, müssen fünf der oben erwähnten Zeichen zutreffen.
Kriterium 2: Feature A, B, C

[Haut zählt als überdehnbar, wenn sie an drei der folgenden Stellen überdehnt werden kann: > 1,5 cm auf Hand oder dem distalen Unterarm; > 3 cm an Hals, Ellbogen und Knien.]

Kriterium 3:

Alle der Folgenden müssen erfüllt sein:

  1. Ausschluss anderer Bindegewebserkrankungen
  2. Keine abnormale Hautrissigkeit darf vorhanden sein
  3. Keine anderen Diagnosen, die mit Hypermobilität oder Hypotonie einhergehen (wie z. B. Myopathien), dürfen vorhanden sein.

Leider werden klinische Diagnosen häufig von Krankenkassen oder anderem medizinischen Personal angezweifelt.

Prinzipiell können alle EDS-Typen mit weiteren Erkrankungen zusammen auftreten, jedoch wurden diese sogenannten Komorbiditäten vor allem beim hypermobilen EDS gefunden.

Eine deutsche Übersicht anhand aktueller Publikationen findet ihr hier: 

Die Ehlers-Danlos-Syndrome mit Schwerpunkt auf dem hypermobilen Typ – ein akademischer Artikel für Springer

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