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Ja, ich will – Hochzeit mit chronischer Krankheit

von Karina Sturm.

Der schönste Tag meines Lebens? Eher nicht.

Aber wohl doch ein ganz guter Tag, im Verhältnis zu dem, was ich erwartet hatte.

Selbst für gesunde Menschen bedeutet eine Hochzeit meist sehr viel Stress. Alles soll perfekt sein, die Gäste müssen zufrieden nach Hause gehen. Das ist was sich die meisten Paare an allererste Stelle setzen.

Bei mir war das anders.

Und jedes Mal, wenn mich jemand fragte: „Und, bist du schon aufgeregt vor deinem großen Tag?“, war meine Antwort: „Nein, ich bin froh, wenn es endlich vorbei ist.“ Damit habe ich wohl einige Menschen schockiert, denn das ist nicht was man von einer guten Braut erwartet.

Hochzeit bedeutete für mich zu Beginn nur Stress.

Ich musste schon wieder anfangen zu planen, als ich kaum in Deutschland angekommen war. Einen kompletten Tag sollte ich aufrecht sitzen oder stehen, während alle Blicke auf mir ruhten und ich musste funktionieren – auf Kommando. Außerdem bedeutet Hochzeit auch, dass man Essen, das man eigentlich nicht verträgt, isst und es wird rund um die Uhr ein Dauergrinsen erwartet.

All diese Dinge erfordern ein enormes Maß an Selbstbeherrschung, Energie und Willen, den ich manchmal einfach nicht habe.

Insgesamt bin ich sowieso eher niemand der öffentlich groß Gefühle zur Schau stellt oder der gerne im Mittelpunkt steht. Alleine der Gedanke an diesen ganzen Stress jagte mir kalte Schauer über den Rücken.

Glücklicherweise bin ich ziemlich routiniert was die Planung von größeren Ereignissen angeht.

Das mir meine ganzen Ärztereisen in den USA in der Hinsicht noch zugute kommen würden, hätte ich mir auch nie ausgemalt. Die Organisation ging deshalb recht schnell und einfach. Wir wussten genau was, wann und wo.

Und wie das häufig ist, wenn alles glatt läuft, kommt trotzdem immer etwas das mir den Boden unter den Füßen wegzieht.

Leider steht mein Leben nicht still nur weil eine Hochzeit ansteht und zack, bekam ich direkt eine neue Diagnose mit der ich nicht gerechnet habe und die natürlich wieder eine Latte an Terminen, Tests und Problemen mit sich brachte. In den letzten Jahren wurde ich nie von Diagnosen überrascht, ich wusste immer schon vorher was ich hatte. Aber damit habe ich zum ersten Mal in meiner ganzen Krankheitshistorie nicht gerechnet und es traf mich volle Breitseite im Gesicht.

In der Hochzeitsvorbereitung auch noch mit gesundheitlich schlechten Nachrichten konfrontiert zu werden, ließ dann doch ein wenig Brautzilla in Erscheinung treten.

Dem Druck konnte ich nicht weiter standhalten und entschied mich ausnahmsweise, nur dieses Mal, den Kopf in den Sand zu stecken und zu ignorieren. Jeder der mich ein wenig kennt weiß, dass ich normalerweise predige man dürfe Probleme nicht unter den Teppich kehren, weil sie sonst nur größer würden. Hinter dieser Aussage stehe ich auch heute noch voll und ganz, nur hatte ich schlichtweg nicht eine einzige ruhige Minute in zwei Wochen und diese Belastung war so groß, dass es mir regelmäßig die Tränen in die Augen trieb – auch eine unangenehme Reaktion, die über die Jahre immer wieder durch zu viel Stress erschien.

Am 06.10 war es dann endlich so weit – der Tag der Tage – der schönste Tag deines Lebens – und wie er nicht sonst noch von Unwissenden, Nicht-Kranken, genannt wird.

Dem Adrenalin sei Dank, ging die Trauung wie im Flug an mir vorbei und ich habe kaum ein Wort in Erinnerung. Wie ein kleiner Roboter habe ich brav meine Worte aufgesagt und wir konnten direkt zum anstrengenden Teil übergehen.

Um jetzt aber nicht zu klingen, als wäre heiraten eine reine Qual, muss ich sagen, die Feier war wirklich schön. Das mag einerseits daran liegen, dass ich was Dresscode, Essen und alles rund ums Fest wirklich tiefenentspannt war oder auch daran, dass ich eine gewisse Mir-Egal-Einstellung brauchte, um nicht unter allem zusammenzubrechen.

Viele nette Gespräche, „bitte lächeln“, Ouzo’s und Antihistaminika später, stellte ich erstaunt fest, dass ich es ganze zehn Stunden ausgehalten hatte und ich mich zwar sehr erschöpft, aber überraschend gut fühlte. Der Eindruck sollte nachts dann Krämpfen, Schüttelfrost und Übelkeit weichen. Doch das war nicht nur zu erwarten, sondern auch relativ schnell mit Medikamenten einzudämmen.

Letztlich wurde der bis dato einfach nur große Punkt auf der To-do-Liste dann doch zu einem schönen Fest, das mehr einem entspannten Brunch, als einer Hochzeitsfeier glich.

Und auch wenn der, wie ich erwartete, „stressigste Tag meines Lebens“ nicht zum „schönsten Tag meines Lebens“ wurde, hatten wir einen unvergesslichen Tag, mit vielen wichtigen Menschen, die mir bei meiner Reise mit und um die Krankheit beigestanden haben.

Nach allem was in den letzten Jahren passierte, ist es fast unglaublich, dass ich an diesen Punkt in meinem Leben kam.

Was ich für mich am schönsten fand?

Viele der Anwesenden kannten mich bereits. Nicht persönlich, aber durch mein Buch. Dadurch hatte ich nicht nur das Glück mich keinen unangenehmen Fragen stellen zu müssen, sondern ganz im Gegenteil, mein Mann wurde beglückwünscht eine solch starke Frau geangelt zu haben. Eine meiner größten Ängste verpuffte gleichzeitig mit dem Singledasein und schon wieder beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt für mich – für uns.

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