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Zwischen Medikamenten, Terminen und Überforderung – Aus dem Leben mit EDS

von Karina Sturm.

Lebensbedrohlich? Oder nur absolut lebensnotwendig?

Ich entscheide mich für potenziell lebensbedrohlich und damit darf er bleiben, einer von vielen Terminen rund um das Ehlers-Danlos-Syndrom im Kalender.

Nachdem ich über die letzten drei Monate um die 30 Termine hatte, bediente ich mich radikaler Maßnahmen und führte ein System aus drei Kategorien ein.

  • Potenziell lebensbedrohlich
  • Absolut lebensnotwendig
  • Routinekontrolle

Unter potenziell lebensbedrohlich fällt alles, was bei mangelnder Beachtung vielleicht lebensbedrohlich werden könnte.

Absolut lebensnotwendig will sagen, dass dieser Termin immens wichtig für meine Lebensqualität ist und damit auch nicht wegfallen kann.

Und alles andere steht für mich jetzt unter Routinekontrolle und kann weg.

Ich konnte einfach nicht mehr.

Daher musste ich radikal vorgehen. Meine Schmerzen wurden mehr, ich war immer gereizter und lebte nur noch von Termin zu Termin. Wenn ich mich von einem Termin gerade erholte, musste ich direkt schon den nächsten planen.

Natürlich sind auch die Routinekontrollen wichtig. Und ich kann meine Erkrankungen nicht ignorieren, das würde sie nur verschlimmern. Aber ich kann für eine kurze Zeit einfach mal eine Pause machen neuen Diagnosen nachzugehen.

Mehr Tests heißt mehr Diagnosen.

Ob ich nun auch noch ein Tethered-Cord-Syndrom hatte, das meine Blasenstörungen hervorruft oder ein Thoracic-Outlet, das mir die Schmerzen in den Armen bereitet, sei dahin gestellt. Und ob ich die Darmspiegelung noch als Beweis der MCAS brauche und diese überhaupt was zeigen würde, ist gerade auch nicht wichtig. Mit jeder weiteren Diagnostik kommen nur noch mehr Diagnosen und mit jeder neuen Diagnose wieder weitere Tests, noch mehr Reisen zu Spezialisten und größere finanzielle Probleme.

All diese Untersuchungen werde ich sicher an irgendeinem Punkt machen müssen, denn in der Regel werden Probleme bei mir nur größer je länger ich warte. Doch in diesem Moment fallen sie in die Kategorie Routine und damit kann ich sie für ein kleines Weilchen ignorieren.

Auslöser für diesen radikalen Schnitt war die Zufallsdiagnose „Faktor-VII-Mangel.“

Mein Mastzellspezialist hatte mir diese vor einigen Wochen verpasst. Bislang wusste ich eigentlich immer vorher schon was mir fehlt. Ich diagnostizierte fast alle meine Krankheiten selbst. Doch diesmal hatte er mich kalt erwischt. Und dann auch noch mit einem Problem, das schnell größer werden kann.

Ein Faktor-VII-Mangel kann bei manchen Patienten zu schweren Blutungen führen.

In Kombination mit meinen fragilen Blutgefäßen keine ganz so tolle Vorstellung. Nun ist mein Wert nicht im lebensbedrohlichen Bereich und keiner weiß, ob er überhaupt jemals so weit sinken wird. Womöglich lebe ich seit 30 Jahren mit diesem Mangel und mir passiert nie etwas deswegen. Doch mit diesem Wissen zu leben und es trotzdem zu ignorieren war mir nicht möglich, weshalb ich beschloss, dass dieses neue Problem durchaus weiterverfolgt werden muss.

Diese eine Diagnose hat ein randvolles Faß zum überlaufen gebracht und mich endgültig in die Knie gezwungen.

Schon seit ein paar Wochen hatte ich nicht mehr das Gefühl all meine Termine zu überschauen und jetzt gerade verschwimmt alles. Das musste ein Ende haben. Ich konnte nicht mehr von einem Termin zum nächsten rennen und dann, wenn alle jährlichen Routinekontrollen endlich zu einem Ende kamen, wieder von vorne anfangen. Nein, mein Leben musste mehr sein als nur Arzttermine und Krankheiten. Ich hatte es verdient, nach all der Anstrengung der letzten Jahre einfach nur für mich zu leben.

Und genau das werde ich jetzt tun – genießen, leben und nur Ich sein.

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