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Libati: Eine neue App für chronisch Kranke

Zwei Menschen in der Natur, die Heißluftballons fotografieren. Text: Libati. Mit Libati möchten wir dir ermöglichen, frei und unabhängig neue Orte entdecken zu können!

Vor Kurzem hat mich Katrin Leuders, CEO von Libati, kontaktiert. Libati ist eine neue App, die es uns chronisch Kranken leichter machen soll, zu reisen und unabhängig neue Orte zu entdecken. Natürlich war ich nach dieser Beschreibung gespannt, was die Libati App so kann und habe mich kurzerhand entschlossen, mit Katrin ein kleines Interview für meinen Blog zu machen. 

Katrin, kannst du mir kurz ein bisschen von dir erzählen: Wer du bist, wo du lebst und was du studiert hast? 

Ich bin Katrin, komme ursprünglich aus der Nähe von Münster in NRW, habe aber meinen Master in International Business Studies im wunderschönen Nürnberg gemacht. Vorher habe ich einen etwas ungewöhnlichen Bachelor in ‘Moderne Ostasienstudien’ gemacht. Das ist eine Kombi aus Wirtschaft, Regionalstudien Ostasiens und einem Intensivkurs in Japanisch. Erstmal kein Bezug zu Start-ups also. Der kam erst in Nürnberg! 

Wie entstand die Idee zu Libati?

In Nürnberg habe ich dann an einem zweisemestrigen Programm meiner Uni, der Universität Erlangen-Nürnberg, mitgemacht: Die Digital Tech Academy. Man konnte dort in Teams seine Idee bis zum fertigen Business Model und Prototypen bringen. Ich wollte schon länger an einer Lösung für ein Problem arbeiten, das ich in meinem näheren Familienkreis festgestellt hatte: Menschen mit chronischer Krankheit meiden häufig Locations, in denen sie noch nie waren, weil sie die Umstände dort nicht kennen. Sie haben mir erzählt, dass sie sich ständig fragen: Gibt es Parkplätze in der Nähe? Muss ich Treppen steigen, oder gibt es einen Aufzug? Gibt es Gerichte für Allergiker? Und viel mehr. Und das, obwohl sie eigentlich gerne mehr unterwegs wären und neue Orte entdecken würden. Es fehlen nur leider die wichtigsten Informationen im Vorhinein. Als wir uns überlegt haben, wie man dieses Problem lösen könnte, sind wir auf die Idee für Libati gekommen: Unsere Mission ist es, für mehr Transparenz zu sorgen, damit chronisch Kranke im Alltag unabhängiger und freier sind. 

Und wer ist alles Teil eures Teams? Wie habt ihr euch gefunden? 

In dem besagten Programm meiner Uni habe ich Doro kennengelernt. Doro hat zunächst Maschinenbau studiert und absolviert nun ihr Staatsexamen in Zahnmedizin. Als wir beide nach den zwei Semestern die Idee weiterhin auf eigene Faust umsetzen wollten, waren wir schon mal zu zweit – eine BWLerin und eine Medizinerin. Zwar konnten wir das Wissen, das wir mitbrachten, gut nutzen, allerdings waren wir auf keinen Fall in der Lage, eine App zu gestalten und zu programmieren. Wir haben uns auf die Suche nach Mitgründern gemacht und schließlich zunächst einen guten Freund von mir, Nikhil, mit ins Boot geholt. Nikhil ist von Beruf UX Designer. Er hat also dafür gesorgt, dass unsere App ein schönes Design bekommt und nutzerfreundlich ist. Danach hat Doro über Kontakte Ben kennengelernt, unseren Programmierer und mit 18 Jahren der Jüngste im Bunde! Ben interessiert sich schon für das Programmieren, seit er 14 ist und hat sich motiviert der Herausforderung gestellt, nun eine App zu programmieren. Er hat vor Kurzem erfolgreich sein Abi abgeschlossen und absolviert nebenbei an der Fernuni Hagen noch seinen Bachelor in Wirtschaftsinformatik. Hilfe bekommt er vor allem im Backend von Geo, der Informatik studiert hat und den wir ebenfalls über zwei Ecken kennenlernen durften. Nun sind wir ein Team, das alle wichtigen Kompetenzen zur Entwicklung von Libati mitbringt!

Welchen Bezug habt ihr zu chronischer Krankheit und Behinderung? Warum lag euch als Team dieses Thema am Herzen? 

Wie gesagt, kam die ursprüngliche Idee bzw. eher das Problem aus meinem engen Familienkreis – hauptsächlich durch eine Person, die durch Brustkrebs und die damit verbundenen Chemotherapien im Alltag sehr eingeschränkt war. Deshalb lag mir das Thema von Anfang an sehr am Herzen. Aber auch die anderen haben Familienmitglieder oder Freunde, die mit chronischen Krankheiten, wie z. B. Asthma oder COPD leben. Als “gesunder“ Mensch können wir im Jahre 2021 mit gefühlt drei Klicks auf Google Maps entscheiden, in welchem Restaurant wir heute essen gehen möchten. Für Menschen, die durch ihre chronische Krankheit im Alltag eingeschränkt sind, ist das noch oft leider nicht möglich. Genau daran möchten wir arbeiten!

Kannst du mir erzählen, wie der Prozess war, von der ersten Ideen bis hin zur fertigen App? 

In dem Start-up-Programm meiner Uni haben Doro und ich zunächst nach gefühlt ewigem Brainstorming ein Business Model Canvas mit vielen Post-Its erarbeitet. Natürlich haben wir nicht nur mit unseren betroffenen Familienmitgliedern gesprochen, sondern auch zahlreiche Interviews mit anderen chronisch Kranken geführt. Irgendwann hatten wir dann eine Vorstellung davon, was den Menschen im Alltag und bei der Planung von Aufenthalten in Restaurants, Hotels etc. wichtig ist. Allerdings haben wir auch festgestellt, dass sich Krankheiten bei jedem Menschen anders äußern, dass jeder andere Präferenzen hat, weshalb uns auch so wichtig ist, dass man heute in der App seine individuellen Präferenzen und Trigger wählen kann. Nach den zwei Semestern ging es dann erst richtig los, als Nikhil angefangen hat, uns jeden einzelnen Screen dieser App zu designen. Ab da musste man sich dann auch Gedanken über die kleinen Details machen. Als Ben und Geo dann angefangen haben, die App zu programmieren, haben wir diese immer wieder mit verschiedenen Menschen getestet und deren Feedback eingearbeitet. Heute haben wir eine erste fertige Version im App- und Playstore, in die wir gerade wieder das Nutzerfeedback einarbeiten. Eine App-Entwicklung ist wirklich ein Prozess, bei dem man sich kontinuierlich verbessern muss – wirklich „fertig“ ist man nie.

Was ist Libati genau und wie kann die App Menschen mit chronischen Krankheiten helfen? 

Libati ist eine App, mit der chronisch Kranke und Menschen mit körperlicher Behinderung neue Orte entdecken können, passend zu ihren eigenen individuellen Bedürfnissen. Man gibt zunächst an, von welcher Krankheit/von welchen Krankheiten man betroffen ist und welche Gegebenheiten die eigenen Symptome triggern. Danach können besuchte Orte, wie Restaurants, Cafés, Hotels etc., auf die Tauglichkeit bezüglich der eigenen Krankheit/Trigger bewertet werden und man selbst kann natürlich die Bewertungen der anderen Nutzer lesen. Gemeinsam mit unseren Nutzern möchten wir dafür sorgen, dass chronisch Kranke endlich mehr Transparenz und schnellen Zugriff auf notwendige Informationen haben! Aufgrund von COVID haben wir auch ein Hygiene-Feature implementiert, mit dem Locations auf die Einhaltung von Hygienestandards bewertet werden können. Da der Inhalt unserer App auf den Bewertungen der Nutzer basiert, ist es momentan unsere größte Herausforderung, eine große Community aufzubauen, die die Locations in der App bewertet.

Welche Behinderungen und Erkrankungen sind am besten für die Nutzung der App geeignet? 

Durch unsere vielen Gespräche mit Betroffenen haben wir herausgefunden, dass die App auf viel mehr Erkrankungen und Behinderungen anwendbar ist, als wir gedacht hatten. Man muss sich „nur“ die richtigen Präferenzen und Trigger der jeweiligen Erkrankung erarbeiten und implementieren. Das „nur“ setze ich in Anführungszeichen, da das gar nicht so unkompliziert ist, als Mensch, der selbst nicht betroffen ist und die Bedürfnisse der potenziellen Nutzer nicht nachvollziehen kann. Zurzeit haben wir Atemwegserkrankungen, Diabetes, Herz-/Kreislauferkrankungen, CED, Adipositas, Barrierefreiheit, sowie Lebensmitelallergien-/ unverträglichkeiten implementiert. Die momentane Auswahl an Präferenzen ist aber längst noch nicht perfekt, deswegen hoffen wir auf viel konstruktive Kritik unserer ersten Nutzer.

Und warum habt ihr euch gerade für diese entschieden? Sind noch weitere Kategorien geplant? 

Wir haben uns bisher für diese entschieden, da wir in den Bereichen Input von Menschen bekommen haben, die mit diesen Krankheiten leben. Erfahrungsberichte aus erster Hand sind uns sehr wichtig. Aber ja, es sind noch weitere Kategorien geplant! Wir bekommen oft Vorschläge von Nutzern, welche weiteren Krankheiten und Behinderungen implementiert werden sollten und notieren uns die für unsere nächsten Updates.

Wie viele Menschen nutzen eure App bereits? 

Unsere App ist seit 3 Wochen sowohl im App- als auch im Playstore verfügbar und wir haben Stand heute ca. 300 Nutzer.

Ist die App barrierefrei? 

Nein, leider ist das ein Punkt, an dem wir zugegebenermaßen noch arbeiten müssen. Uns ist bewusst, wie wichtig es ist, dass gerade eine solche App barrierefrei ist. Allerdings lag bei uns in den letzten Monaten der starke Fokus darauf, eine erste funktionierende Version zu bauen, um die den Menschen zu zeigen und herauszufinden, ob das Konzept selbst überhaupt gut angenommen wird. Libati ist definitiv noch lange nicht perfekt, aber wir arbeiten auf Hochtouren an Updates und Verbesserungen und freuen uns sehr über weitere Anregungen.

Waren Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen an der Programmierung und Umsetzung der App beteiligt? 

Ja, ohne die vielen Interviews und Prototypen-Tests, die wir mit den Menschen führen durften, wären wir heute bestimmt noch gar nicht soweit! Viele Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen haben wir über Facebookgruppen kennengelernt und Telefonate/Videokonferenzen geführt. Manchmal hatten wir sogar Glück, dass die Leute aus unserer Nähe kamen und wir sie persönlich kennenlernen durften. Wir sind wirklich dankbar über die vielen hilfsbereiten Menschen!

Wie viele chronisch kranke Menschen habt ihr denn genau interviewt für die App?

Ganz am Anfang, als wir noch in der Ideenfindungsphase waren, haben wir ca. 100 Leute interviewt. Im Rahmen der App-Entwicklung kamen dann noch mehr dazu, die wir zwischendurch als App-Tester für Feedback interviewt haben. Oder manchmal sind auch Menschen einfach auf uns zugekommen, die uns weitere Krankheiten empfehlen wollten, die wir in die App mit einbringen sollten. Mit diesen haben wir dann auch gesprochen und uns deren Ideen für die Präferenzen etc. angehört. Da habe ich leider keine genaue Zahl, aber ich denke es waren noch so 30-40 zusätzliche Interviews während dieser Phase.

Nun zeigt mir die App anhand meiner Vorauswahl von bestimmten Krankheiten Restaurants an, die für mich geeignet sind. Woher wisst ihr denn, welche Restaurants oder Bars für bestimmte Krankheiten und Behinderungen geeignet sind? 

Der Inhalt unserer App basiert wie gesagt auf den Bewertungen unserer Nutzer. Das ist gleichzeitig der Fluch und Segen unserer App, sagen wir immer. Einerseits haben wir festgestellt, dass auf Social Media, aber natürlich auch offline, große, starke Communities von Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen bestehen. Es ist toll, mit anzusehen, wie sie sich täglich austauschen und sich gegenseitig Mut machen. Deshalb halten wir es für eine gute Idee, wenn der Inhalt unserer App auf den Bewertungen von Betroffenen und deren Angehörigen/Freunde beruhen – weil die Menschen einfach Vertrauen in die Meinungen Gleichgesinnter haben. Auf der anderen Seite ist es unheimlich schwer und teuer, diese vielen Menschen auf uns aufmerksam zu machen und als Libati-Nutzer zu gewinnen. Manchmal sind die Leute auch skeptisch, wenn es z. B. um Datenschutzfragen geht. Natürlich haben wir mit Hilfe eines Anwalts eine ausführliche Datenschutzerklärung aufgesetzt, denn dieses Thema liegt uns sehr am Herzen. Aber wir verstehen auch vollkommen, dass Leute, die uns nicht kennen, erst einmal Zweifel haben. Wir sind trotzdem optimistisch, dass wir in den kommenden Monaten und Jahren eine starke Community aufbauen können!

Wenn die Empfehlungen in der App nur auf Bewertungen beruhen, aber noch gar nicht so viele Leute die App nutzen, dann beruht eine Restaurant-Empfehlung ja vielleicht auf nur einer Person?

Ja, da hast du Recht und genau das ist momentan noch unser Problem. Deswegen stecken wir gerade auch unsere Energie und Budget in Marketing, um so schnell wie möglich eine große Community aufzubauen, die die Orte in der App bewertet. Wie gesagt, in manchen Bereichen wie Barrierefreiheit gibt es schon Daten, die wir versuchen werden, einzubinden. Bei anderen Krankheiten ist dies aber nicht so, da sind wir eben auf die Bewertungen unserer Nutzer angewiesen. Es wird mit Sicherheit keine leichte Aufgabe und es werden noch einige Monate bis Jahre vergehen, bis die App so vollständig ist, wie wir uns das erhoffen. Aber wir werden definitiv alles dafür geben, dieses Ziel irgendwann zu erreichen!

Wenn ich jetzt eine Gluten- oder Histaminintoleranz habe, sagt mir die App dann, wo ich essen kann? 

Genau, die App funktioniert folgendermaßen: Wenn du dich als Nutzer registriert hast, gibst du an, dass du z. B. eine Glutenintoleranz hast. Nun zeigt die App dir diejenigen Orte in grün an, die andere Nutzer positiv auf dieses Thema hin bewertet haben – zum Beispiel, weil die Inhaltsstoffe in der Speisekarte angegeben sind oder es eben glutenfreie Gerichte gibt. 

Und wie ist es mit Barrierefreiheit? Kann mir die App sagen, ob es Rampen gibt oder die Toiletten barrierefrei sind? 

Richtig, das funktioniert ähnlich wie das Beispiel mit der Glutenintoleranz. Allerdings wissen wir zum Thema Barrierefreiheit, dass es bereits große Datenbanken mit relevanten Informationen gibt. Diese möchten wir bald einpflegen, sodass die App hier nicht nur rein auf den Bewertungen basiert.

Als Nutzer kann ich diese Orte bewerten und damit anderen Menschen mit der selben Krankheit helfen. Ist der Sinn der App letztlich, dass sich Betroffene gegenseitig mit Peer Support unterstützen? 

Ja, so ist es. Wie bereits beschrieben, denken wir, dass eine große und starke Community von „Gleichgesinnten“ besteht, die sich gegenseitig unterstützen kann und das auch möchte. Allerdings halten wir auch immer Ausschau nach bereits bestehenden Informationen, die wir in die App einbinden können.

Was habt ihr von Betroffenen bislang für Feedback bekommen? 

Wir haben bereits von einigen Betroffenen das Feedback bekommen, dass ihnen die Idee gefällt und die sich dafür bedankt haben, dass wir ihnen helfen möchten. Das freut uns sehr! Allerdings haben wir auch schon einiges an konstruktiver Kritik bekommen, was z. B. kleine technische Fehler angeht oder Kritik an den bisher bestehenden Präferenzen. Auch das negative Feedback freut uns, weil die App natürlich noch lange nicht perfekt ist und wir dankbar über jeden einzelnen Verbesserungsvorschlag sind.

Wie geht es mit eurer App nun weiter? Was ist die Zukunftsvision?

Momentan ist unser nächstes Ziel, so viele Nutzer wie möglich zu gewinnen und die App mit viel Leben zu füllen. Denn nur mit einer großen Community können wir gemeinsam für mehr Transparenz über die Gegebenheiten in Orten wie Restaurants, Hotels, Cafés etc. sorgen. Langfristig ist aber natürlich auch unser Ziel, von unserem Startup leben zu können. In dieser Hinsicht planen wir Partnerschaften im B2B Bereich, denn wir möchten, dass die App für unsere Nutzer kostenlos bleibt. Das „Endziel“ ist und bleibt, dass Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen schnell und einfach mit Hilfe von Libati herausfinden können, welche Locations für die eigenen Präferenzen geeignet sind und damit böse Überraschungen vor Ort vermeiden.

Mehr Informationen findet ihr auf Libati.org

Dieses Interview ist rein informativ und keine Werbung für Libati. Ich habe auch keinen finanziellen Bezug zu den Herstellern der App. Da ich sie selbst noch nicht ausprobieren konnte, würde ich mich freuen, wenn ihr, falls ihr sie nutzt, Feedback geben könntet, in wie fern die App tatsächlich für chronisch Kranke geeignet ist. 

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