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Immer wieder Ärger mit den Gutachtern

von Karina Sturm.

Ich weiß, man könnte meinen, ich verklage sämtliche Versicherungen in Deutschland, aber meist ziehen sich die einzelnen Verfahren einfach nur so lang, dass man den Eindruck bekommt, es wären zehn verschiedene. Derzeit geht es um die Erstreitung der Behandlung im Ausland.

Genauer: Die Operation an der HWS bei einem der EDS-Spezialisten mit 30 Jahren Erfahrung. Und gerade diese Erfahrung mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom ist von so großer Wichtigkeit, um eine möglichst hohe Chance auf eine verbesserte Lebensqualität zu haben – und nicht dabei zu sterben, um es einmal dramatisch auszudrücken.

Operationen an der oberen Halswirbelsäule sind allgemein riskant – auch bei Patienten ohne das Ehlers-Danlos-Syndrom. Ich weiß das, weil ich unzählige Studien zu Materialien, Methoden, Komplikationen, Todesfällen und vielem mehr gelesen habe. Trotzdem hatte ich mich schon vor einer Weile für eine Operation entschieden, denn all meine Bemühungen meinen Zustand konservativ zu stabilisieren schlugen fehl.

Nun ist das EDS eine seltene Erkrankung und Spezialisten rar. Für die HWS-Instabilität gibt es in Deutschland keinen, aber ich hatte das wahnsinnige Glück zufällig bei dem erfahrensten Chirurgen für diese Art OPs zu landen. Er war nicht nur derjenige der meine HWS-Instabilitäten sofort erkannte, sondern sogar der, der mir 2014 die EDS-Diagnose stellte und damit mein ganzes Leben veränderte. Er behandelt fast ausschließlich Patienten mit Bindegewebserkrankung und ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der obere HWS.

Nachdem ich nach über fünf Jahren aussichtsloser Suche in Deutschland einfach nicht mehr konnte – mental waren die Arzttermine zu frustrierend und körperlich konnte ich nicht mehr jede Woche quer durchs Land reisen, auf der verzweifelten Suche nach Hilfe – stellte ich den Antrag auf eine Kostenübernahme für die Auslandsbehandlung. Ein Unterfangen, das von vornherein nicht besonders erfolgsversprechend war. Doch was sollte ich denn anderes tun? Eine OP könnte ich mir in zehn Leben nicht leisten – damit gab es keine andere Option.

Seit über zwei Jahren spielen wir nun Ping-Pong mit dem Gericht, Ärzten, Gutachtern, der Krankenkasse – viel ist bisher nicht passiert, bis nun ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Ein Arzt ohne Erfahrung im Bereich EDS wurde dazu befragt, ob EDS-Erfahrung für die OP notwendig wäre. Vermutlich muss ich nicht einmal erwähnen wie das Gutachten ausging? Was erwartet man auch groß, wenn jemand der nichts über EDS weiß, befragt wird, ob das Einbeziehen der Erkrankung und deren Risikofaktoren denn wichtig seien. Nun habe ich neben dem EDS noch weitere potentielle Risikofaktoren, wie das Mastzellaktivierungssyndrom, das mich anfällig für allergische Reaktionen macht, die Dysautonomie, die während der OP zum Temperaturabfall oder zu Herzproblemen führen kann, eine Blutungserkrankung und so einiges mehr. Diese sogenannten Komorbiditäten des EDS wurden – wie zu erwarten – nicht weiter erwähnt.

Was jedoch seinen Weg in das Gutachten fand war ein uralter Befund aus 2010, der einige Wochen nach dem Beginn meiner akuten Symptome erstellt wurde, lange bevor die HWS-Instabilität bekannt war, und diverse psychosomatische Diagnosen enthält, die nicht relevant sind, da sie lange widerlegt wurden. Aber wie schon so oft beschrieben: eine F-Diagnose wird man nicht mehr los. Selbst wenn sie unter hunderten Spezialistenberichten vergraben ist, der Gutachter findet sie immer und natürlich muss sie erwähnt werden, auch wenn sie zur Fragestellung nichts beiträgt. Glücklicherweise ist die Beweislast zugunsten meiner lädierten HWS mittlerweile dermaßen groß, dass zumindest die Notwendigkeit der Operation an der HWS bestätigt wurde. Ein Teilerfolg, denn bislang wurde ja meist behauptet, meine HWS wäre zwar instabil, aber eine OP nicht nötig, ich solle mal lieber zum Psychologen, um zu lernen mit meiner schweren Krankheit umzugehen. Ob das nun helfen würde meine HWS zu stabilisieren, habe ich daraufhin gefragt. Eine Antwort blieb aus.

Der letzte Gutachter meint nun zumindest das meine HWS zu operieren sei, aber nicht, dass es wichtig wäre meine 15 anderen Krankheiten mit einzubeziehen, obwohl dazu mehrere Publikationen vorliegen, die das Gegenteil bestätigten. Das Fazit: In Deutschland könnte quasi jeder Neurochirurg eine solche OP durchführen – theoretisch wahr – und eine Erfahrung mit EDS wäre nicht notwendig – unwahr.

Mal abgesehen davon, dass die Erfahrung mit EDS bei diesen Operationen einen großen Unterschied macht, ist die Aussage, das könne jeder machen auch mal wieder ein kleines Hintertürchen. Zwischen machen können und machen wollen ist nämlich auch noch ein Unterschied. Ich habe versucht einen Operateur in Deutschland zu finden, habe aber immer nur gehört, eine OP an mir wäre zu riskant, man würde nicht an EDS-Patienten operieren. Selbst für Menschen mit Instabilitäten an der HWS ohne EDS-Diagnose gib es nur selten jemanden der sie freiwillig operiert und OPs an der oberen HWS sind sowieso Königsklasse.

Da steht man nun mit einem Gutachten über das man fast lachen müsste, wäre es nicht so ein wichtiges und bedrohliches Thema…

2 Kommentare
  1. Elfi Petsch sagte:

    Hallo Karina, ein ganz toller Beitrag. Wir – das sind mein 15-jähriger Sohn und ich – sind seit September als Typ IV diagnostiziert und stehen erst am Beginn unserer Odyssee durch das deutsche Gesundheitssystem. Im Moment bin ich nur am lesen, lesen und versuche zu verstehen. Blogs von weiteren Zebras helfen mir dabei sehr.
    Liebe Grüße, Elfi

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