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Fucking Event Burn-out

Eine Frau sitzt im Badezimmer und zieht an einer Schnur an der Decke. Sie trägt einen grauen Pulli und einen grauen Schal. Ihre Haare sind zu einem Dutt am Oberkopf festgesteckt und ihr Pony fällt über die Stirn.

von Franziska Willert.

Die letzten drei Tage schleppte ich mich mit dem Taxi zur Arbeit hin und zurück, doch die letzte Fahrt werde ich nie vergessen!

Mein Herz schlug so schnell und laut.

Dicke Schweißperlen glitten von Kopf bis Fuß über meine blasse Haut. Im Nacken, auf den Lippen und in den Fingern kribbelte es, als würden tausende Ameisen darüber laufen.

Meine Knie wurden weich und in meinem Kopf kreiste es, wie nach zehn Runden Karussell fahren. Mein Körper war am Limit und zwang mich in die Knie, indem ich bei dem Blick in Richtung Haustür sofort zu hyperventilierten begann. Es war als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen.

Und als wäre das nicht schon schlimm genug, brachte man mir zum Dank trotz Krankschreibung die Kündigung nach Hause. Auch die Krankenkasse kündigte mir und Stück für Stück verlor ich mein Leben.

Tagelang lag ich nur da, fühlte mich leer und ausgelaugt.

Bis ich mal wieder im Krankenhaus landete und man mir sagte: „Glückwunsch, ihr Körper schickte Sie in eine Zwangspause und Sie brauchen dringend Hilfe!“

Diagnose: Burn-out!

Welches bei mir auch Angst-und Panikattacken mit Agoraphobie und Depression auslöste.

Ich blickte Tag für Tag aus dem Fenster, während ich Hilfe durch Tabletten bekam.

In meinem Kopf kreisten Fragen:

Was habe ich nur?

Warum funktioniere ich nicht mehr?

War das alles?

Es gibt Krankheiten, wie ein gebrochenes Bein, die man sofort sehen kann.

Doch die Erkrankung Burn-out mit deren Folgen, kann man nicht direkt erkennen. Um es besser verstehen zu können malte ich dem Burn-out gedanklich ein Fantasiegesicht. So konnte ich es anlachen, wenn ich wieder einen Schritt weiter kam und mich daran erfreuen, dass die Panik, in dem Fall das Fantasiegesicht, nicht siegte.

Doch fühlte ich mich unwohl dabei. Als würde man gedanklich in eine Zitrone beißen und plötzlich sabbert man, obwohl es nur im Kopf geschieht.

Nein, das kann es nicht gewesen sein! 

Ich nahm mir die Hilfe die ich brauchte und begann dem Fucking Event den Kampf anzusagen.

Ich fing damit an, die vorwurfsvollen Gesichter, die ich nicht mehr ertragen konnte, auszumisten; übte hart jeden Schritt in die Welt, bis es mir gelang, wieder alleine einzukaufen und die Panik zu Hause zu lassen.

Bei jedem Schritt holte ich mir mein Leben ein Stückchen mehr zurück und lernte mich zum ersten Mal selbst dabei kennen.

Ärzte können Tipps geben, aber auf meinem Weg wäre zuhören besser gewesen.

Oft sagte man mir: „Nochmal bekommen Sie keine Hilfe, wenn Sie jetzt nicht zupacken“, oder „Sie dürfen sich nicht zurück ziehen“ und so weiter. Hätte man einmal zugehört, dann hätte man erkannt, dass ich nach außen oft nur eine Hülle war.

Eine junge Frau wirft einen Kuss in Richtung einer Statue. Sie trägt einen schwarz-weiß karierten Mantel und einen Dutt auf ihrem Kopf.
Franziska Willert lebt mit Burnout und Depression

Leider wenden viele Ärzte nur etwas aus Fachbüchern an, ohne wirklich zu erkennen, wie der einzelne Betroffene dabei fühlt. Oft sagte man, ich sei ein Mensch, der durch sein Erscheinungsbild auffalle, obwohl ich doch nur wollte, dass man einmal Mich selbst sieht, hinter der Fassade. Es fühlt sich an, wie eine Last, wenn viele auf einen blicken ohne zu erkennen, dass man eigentlich nur weinen möchte.

Es wird immer ein Teil von mir bleiben, ich kann es nicht einfach vergessen!

Auf der anderen Seite hat mir das Fucking Event Burn-out aber auch geholfen mich als Mensch kennenzulernen und nicht nur, wie vorher, einfach nur zu funktionieren. Ich spürte wieder den Unterschied zwischen kalt und heiß und merkte, was ich sein möchte. Ich entwickelte mein wahres Ich auf diesem schweren Weg. Ich erkannte wie ich erscheinen möchte, lernte Stärken und Schwächen kennen.

Ich erkannte, dass auch ein schlechter Tag zu mir gehört und das musste ich akzeptieren.

Trotzdem ziehe ich mich an schlechten Tagen gerne zurück und schweige, denn ich weiß jetzt, dass ich das brauche um meinen Akku neu zu laden und mich dann wieder aufzurappeln.

Dank dem Burn-out und allen Menschen, die mich während meines langen Weges enttäuschten, habe ich gelernt zu fallen und wieder aufzustehen.

Persönliche Erklärung wie sich ein Burnout anfühlt:

Vielleicht hilft es noch zu wissen, dass bei Angst- und Panikattacken das Herz wie wild schlägt, einem der Schweiß am ganzen Körper packt, man Pudding in den Knien bekommt und sich fühlt als würde man Tod umfallen.  Dann kommt die Depression, wenn es nicht so läuft wie man will und sich zurückzieht. Oft ist es ein Auf und Ab der Wechselgefühle mit Höhen und Tiefen, in denen man sehr sensibel reagiert. Auch dazu gehören Tage, an denen man nur stumm da liegt, sich total schlapp fühlt und anfängt alles in Frage zu stellen.

2 Kommentare
  1. Andreas. Copar sagte:

    Hallo Franziska, toll Geschrieben.
    Habe zwar noch kein Bourout gehabt, aber durch meine ganzen Operationen kenne ich einige Deiner Symptome nur all zu gut.
    Mache weiter so,.
    Du bist auf dem richtigen Weg.

    Andy
    P.S: bin der Andy mit dem chronischen hypo-Adenom.

    Antworten
  2. Mandy Mehrens sagte:

    Hallo Franziska,

    auch wenn ich selbst nicht an Burnout erkrankt bin und demzufolge nicht 100% nachvollziehen kann was man in solchen Momenten fühlt und empfindet, ist mir dein Bericht eindeutig unter die Haut gegangen.

    Zeitgleich fand ich es unendlich schön zu lesen, welche starke Persönlichkeit anscheinend hinter diesem Text steckt.

    Ich wünsche Dir von Herzen das du geduldige und starke Menschen in deinem direkten Umfeld hast, die Dich auf deinen kommenden Wegen begleiten und unterstützen werden. Sowie Dir den eventuellen Halt geben können, wenn du ihn gerade mal brauchst.

    ich würde mich freuen, noch mehr von Dir zu lesen.

    Viele Grüsse von der Küste, genauer gesagt aus der Nähe von Wilhelmshaven
    Mandy

    Antworten

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