„Alles nur in deinem Kopf“: Neue Studie bestätigt, was hEDS-Patient*innen seit Jahrzehnten wissen
Eine neue Studie bestätigt, was die meisten Menschen mit Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) seit Krankheitsbeginn längst wissen: Sie werden erschreckend häufig mit psychischen Erkrankungen fehldiagnostiziert. Die Studie zeigt, dass 94,4 % der hEDS-Betroffenen zunächst fälschlicherweise mit psychischen Erkrankungen diagnostiziert wurden – häufig durch Ärzt*innen ohne psychiatrische Expertise –, bevor sie die korrekte Diagnose hEDS erhielten. Viele wurden beschuldigt, ihre Symptome zu erfinden oder zu übertreiben; 88 % gaben an, man habe ihnen wörtlich gesagt, sie würden „sich das alles nur einbilden“. Weitere Fehldiagnosen umfassten „Aufmerksamkeitsbedürfnis“, Konversionsstörung, „Einbildung“ und Munchhausen-Stellvertreter-Syndrom.
Studienleiter Dr. Pradeep Chopra, Schmerzspezialist in Rhode Island, der seit Jahrzehnten EDS-Patient*innen behandelt, erklärt die Motivation hinter der Studie: „Ich sah immer wieder Patient*innen mit EDS, und fast alle hatten schlimme Erfahrungen mit Fehldiagnosen, Fehlinformationen und Vorurteilen durch die medizinische Fachwelt gemacht. 2010 beschloss ich, systematisch Daten darüber zu erheben, wie häufig Fehldiagnosen bei EDS, PoTS, MCAS und den damit assoziierten Erkrankungen sind. Acht Jahre lang sammelte ich Daten, bis 2018. Danach dauerte es sieben weitere Jahre, bis der Artikel nach einem äußerst strengen Peer-Review-Prozess 2025 veröffentlicht werden konnte.“
Fehldiagnosen führten oft zu jahrelangen, falschen Behandlungen – darunter Psychopharmaka oder Psychotherapie –, während die körperlichen Symptome unbehandelt bleiben. „Ich war schockiert, dass 94 % der Patient*innen mit einer schwerwiegenden Erkrankung wie EDS falsch diagnostiziert wurden“, so Chopra. Die Studie hebt hervor, wie kognitive Biases (Vorurteile) – etwa das „Anchoring“ (eine übermäßige Fixierung auf den ersten Eindruck) oder der „Availibility Bias“ (die Orientierung an kürzlich gesehenen oder bekannten Diagnosen) – die Diagnostik stark beeinflussen können. Wird einmal eine psychiatrische Diagnose vergeben, ist eine Neubewertung oft kaum noch möglich.
Die Ergebnisse erinnern an die Daten einer EURORDIS-Umfrage aus dem Jahr 2009. Laut dieser wartete die Hälfte aller EDS-Betroffenen über 14 Jahre auf eine korrekte Diagnose, ein Viertel sogar bis zu 28 Jahre. Frauen waren dabei stärker betroffen: Im Schnitt warteten sie 16 Jahre, Männer nur vier. Insgesamt erhielten 56 % der Befragten mindestens eine Fehldiagnose, 20 % davon waren psychiatrischer Natur.
Fehldiagnosen führten oft zu schwerwiegenden Folgen: 70 % der Patient*innen erhielten unangemessene Behandlungen – darunter medizinische (30 %), chirurgische (17 %) oder psychiatrische Fehlbehandlungen (7 %). Besonders gravierend waren die Folgen bei psychiatrischer Fehldiagnose: Hier verzögerte sich die korrekte Diagnose im Schnitt um 22 Jahre, im Vergleich zu 8 Jahren bei Patient*innen ohne solche Fehldiagnosen. Für 86 % der Betroffenen hatte diese Verzögerung schwerwiegende und langfristige Auswirkungen – sei es auf die körperliche oder auf die psychische Gesundheit. Manche starben sogar infolge der fehlenden Anerkennung ihrer Beschwerden – tragischerweise belegt durch den kürzlichen Tod dreier Frauen in Neuseeland.
Dr. Chopra betont, wie wichtig die Bestätigung der Patient*innenperspektive ist:
„Die Rückmeldungen von Patient*innen und ihren Familien waren überwältigend. Für viele bedeutet diese Studie eine Anerkennung ihres schwierigen Weges.“
Die Studie fordert ein multidisziplinäres, vorurteilsbewusstes Diagnoseverfahren, in das Rheumatolog*innen, Neurolog*innen, Schmerzmediziner*innen und Psycholog*innen einbezogen werden. Sie empfiehlt eine bessere klinische Ausbildung, standardisierte Diagnoseinstrumente, validierte Screeningverfahren und eine verbesserte Kommunikation zwischen Patient*innen und Behandelnden. Chopra und sein Team plädieren zudem für systemische Reformen, die es Ärzt*innen ermöglichen, Diagnosefehler offen einzugestehen – ohne Schuldzuweisung, dafür mit Raum für Lernen und Verbesserungen.
Diese Studie liefert nicht nur Daten – sie liefert eine späte Genugtuung. Der Schaden, den Misstrauen und Vorurteile anrichten, ist real, messbar und für viele unumkehrbar. Der nächste Schritt ist nicht mehr Aufklärung. Sondern: Handeln. Ärzti*nnen müssen Symptome ernst nehmen – auch wenn sie unsichtbar sind. Sie müssen ihre eigenen Denkmuster hinterfragen und nicht vorschnell auf psychosomatische Erklärungen zurückgreifen. Und vor allem: Sie müssen die Patient*innen als Expert*innen für ihren eigenen Körper ernst nehmen. Schließlich verbringen Patient*innen jeden Tag, den ganzen Tag, mit diesen Symptomen, in diesem Körper. Eine Ärztin oder ein Arzt sieht nur einen kurzen Moment. Was liefert mehr Informationen: eine Dokumentation oder ein Foto?
Lee, C. & Chopra, P. (2025). The Incidence of Misdiagnosis in Patients with Ehlers–Danlos Syndrome. Children, 12(6), S. 698.
[Redaktioneller Hinweis zur Transparenz: Für diese Zusammenfassung wurde ChatGPT verwendet. Sämtliche Daten wurden jedoch vor Veröffentlichung überprüft.]
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